
Felix Burger, Matthias Böhler und Christian Orendt inszenieren auf der gesamten Ausstellungsfläche des Kunst- und Gewerbevereins Regensburg eine raumgreifende, aus mehreren abgewandelten bzw. neu geschaffenen installativen Arbeiten zusammengestellte Meta-Installation. In diesen Settings manifestieren sich die Auswirkungen menschlichen Macht- und Leistungsstrebens in einem komisch-dystopischen futuristischen Pandämonium von geisterhaften Bildern und Szenerien.
Das speziell auf die Räumlichkeiten des Kunst- und Gewerbevereins abgestimmte Konzept für die Ausstellung entstand in enger Zusammenarbeit der drei Künstler, und ist thematisch wie atmosphärisch an ihr gemeinsames Projekt „A Mess Carol, as Told by a Candid Mirror“ von 2013/2020 angelehnt.
Das Grundthema der Ausstellung dreht sich um die Frage, was entsteht, wenn Menschen denken, sie könnten auf vernünftige Weise auf die Geschicke der Welt lenken und dabei in ihrem Handeln absolut scheitern.
„The Mess Yet To Come“
Felix Burger, Matthias Böhler und Christian Orendt
vom 30. April bis 24. Juli 2022
Kunst und Gewerbeverein, Ludwigstraße
Die Eröffnungsveranstaltung findet statt am Freitag, 29. April 2022 um 19.00 Uhr.
Begrüßung: Dr. Georg J. Haber, 1. Vorsitzender Kunst- und Gewerbeverein
Eröffnung: Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer
Einführung: Marco Hompes, Leiter Kunstmuseum Heidenheim
Die Volkshochschule bietet in Kooperation mit dem Kunst- und Gewerbeverein am 15.05., 19.06. und 17.07.2022 jeweils um 14 Uhr eine Führung durch die Ausstellung an. Anmeldung und Information: Tel. 0941-507 2433 (vhs-regensburg.de)
Über die Künstler
Felix Burger, 1982 in München geboren, studierte Freie Kunst in München, Wien und Köln. Er war Stipendiat des International Studio & Curatorial Program in New York und an der Rijksakademie van beeldende kunsten in Amsterdam.
Matthias Böhler, 1981 in Aachen geboren, und Christian Orendt, 1980 in Sighisoara (Rumänien) geboren, arbeiten seit 2008 zusammen. Sie studierten an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg, an der Akademie der Bildenden Künste Wien (Böhler) und an der HGB Leipzig (Orendt). Sie erhielten den Bayerischen Kunstförderpreis und das Arbeitsstipendium der Stiftung Kunstfonds.
(Quelle: https://www.akienberger.de/index.php/text-magazin/europa/269-burger-boehler-orendt-the-mess-yet-to-come-kunst-und-gewerbeverein-regensburg-2022)
Künstler-Webseiten:
Böhler und Orendt: https://boehler-orendt.com/
Felix Burger: http://www.felix-burger.de/
Zu den einzelnen Installationen
In den multimedialen Installationen DON’T BE MAYBE und OLD HABITS DIE HARD (beide 2020) von Felix Burger ist jeweils eine Vielzahl humanoider Puppen in silbernen Overalls technoiden Apparaturen ausgesetzt, die sie merkwürdigen, regelmäßig-ritualhaft anmutenden Manipulationen von unklarem Nutzen oder Schaden unterziehen. In OLD HABITS DIE HARD liegen 140 silberne Overalls in symmetrischer Anordnung auf einer reflektierenden Oberfläche. Anstelle eines Kopfes tragen sie leere Helme – abstrahierte Bestrahlungsschutzmasken aus der Onkologie. Einzelne Körperteile sind durch kryptische Symbole gekennzeichnet, UV-Lampen erhellen die beschädigten Stoffhüllen und lassen einige im Schwarzlicht aufleuchten. Vier synchron geschaltete Videos auf Flachbildschirmen verleihen den leeren Helmen Stimmen und machen dadurch sie zu jammernden Individuen. In 3-D-Videosequenzen erläutern sie in kurzen fragmentarischen Texten ihre biografische Herkunft und berichten von ihren persönlichen Leiden: Angst, Einsamkeit, Isolation, soziale Überforderung, Ungerechtigkeit und sexuelle Funktionsstörungen. Die Stimmen überlagern sich, sprechen mal chorisch synchron, mal durcheinander. Eine verspiegelte Wand erweitert das bühnenartige Lazarett ins Unendliche.
OLD Habits Die Hard I Raumspezifische Installation mit Stoffoveralls, chrommatten, Spiegelplatten, UV-Licht, 4 – Kanal Video | 10 × 8 m I Mixed Media I Felix Burger I 2020
In DON’T BE MAYBE sind kopflose Puppen in silbernen Anzügen in einem stilisierten Fitnessstudio in unterschiedlichen Posen auf großen Spiegelplatten platziert. Kurze Videosequenzen auf Tablet-Screens erklären verschiedene körperliche Übungen, die die Figuren simulieren. Ihre Bewegungen werden von umgebauten Sexmaschinen gesteuert, welche die Gliedmaßen im monotonen Rhythmus vor- und zurückbewegen. Zusätzlich fließt grüne Flüssigkeit in Transfusionsschläuchen von ihren Genitalien in Spraydosen der Marke Playboy hinein. Auf einem zentral über dem Ensemble hängenden Großbildschirm läuft ein stark verlangsamtes Video, das zwei maskierte Kämpfer zeigt, die in einer Art Wettbewerb versuchen, sich gegenseitig zwischen den Beinen zu verletzen, um dadurch eine gewisse Anzahl an Punkten zu erlangen. Piktogramme an der Wand verweisen auf verschiedene Körperstellungen und erlaubte Griffe. Ein zweiter Monitor zeigt eine entkleidete Puppe, die sich, am Boden eines Hotelzimmers kauernd, mit dem Playboy¬Spray die zwitterhaften Genitalien kühlt. Durch die verspiegelten Wände des Ausstellungsraumes werden die Betrachter direkter Teil des bühnenhaften Ensembles.
Don’t Be Maybe I Raumspezifische Installation mit Puppen, Spiegelplatten, Sexmaschinen, Tablets, Siebdrucken, Metallständern, 2 – Kanal Video 4k I 4 × 8 m I Mixed Media I Felix Burger 2020
Um ein Ritual kreist auch die performative Installation MEHRUNG (2011) von Böhler & Orendt. MEHRUNG ist eine fortlaufende Serie, die auf der Fiktion einer Geheimgesellschaft beruht, deren Mitglieder sich vollständig der Idee des exponentiellen Wachstums verschrieben haben. Die Performer sind durch sackartige Masken anonymisiert und huldigen schweigend in einer ritualisierten Prozedur ihrem Wachstumsglauben: Aus bunten Bastelmaterialien stellen sie eine stetig wachsende Anzahl von bunten Götzenbildern her, deren Form an eine exponentielle Wachstumskurve erinnert, das Ideal ihres kapitalistischen Weltverhältnisses.
Mehrung 4 | Performative Installation | 6.5×10×10 m | 12 Performer:innen | 3 h | Böhler & Orendt 2013
Der Titel der Ausstellung nimmt Bezug auf die vierte Arbeit der Ausstellung, A MESS CAROL, AS TOLD BY A CANDID MIRROR (2013/2020), eine Kooperation von Burger, Böhler und Orendt. Der genannte „aufrichtige Spiegel“ bildet im räumlichen wie konzeptionellen Sinn das Zentrum des gesamten Ausstellungskonzepts. In einem dunklen Raum wird mit Hilfe einer improvisiert wirkenden technischen Konstruktion eine Geisterbeschwörung inszeniert. Die Apparatur lässt in einem Nebelschleier über einem „Beschwörungskreis“ einen von drei „Geistern“ abwechselnd mittels Videoloop im Spiegel für jeweils vier Minuten in Erscheinung treten. Die drei nebulösen Geisterwesen halten den Ausstellungsbesuchern in rhythmischen Litaneien den fatalen Einfluss der ehemals, gegenwärtig und zukünftig lebenden Menschen auf den Zustand der Welt vor. Dabei steigert sich das Schlamassel chronologisch immer weiter, um als THE MESS YET TO COME (das noch bevorstehende Chaos) in der Litanei des dritten Geists völlig absurde Ausmaße anzunehmen.
“A Mess Carol”, as told by a candid mirror | Videoinstallation | Glas, Holz, Parkett, Farbe, OLED-Screen, Rechner, Video, Sound | 12 min, 3×4.5×3 m | Böhler Burger Orendt 2020